Hansi Flick beanspruchte am absoluten Stimmungstiefpunkt ohne erkennbare Selbstzweifel auch noch eine dritte Chance als Bundestrainer. Und das nach seinem kläglichen WM-Scheitern und dem ebenfalls vermurksten Aufbruch zur Heim-EM. „Ich kann versprechen, dass wir im September eine andere Mannschaft sehen“, sagte Flick. Zeitgleich warf Rudi Völler, sein wichtigster Schutzpatron, am Ende des Testspiel-Fiaskos der Fußball-Nationalmannschaft eine andere „Qualitätsfrage“ auf.
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Der DFB-Sportdirektor und Ex-Teamchef zielte nach dem 0:2 gegen Kolumbien ganz auf die Spieler. Flick dagegen sei doch als Trainer „am Ende die ärmste Sau“, meinte der 63-Jährige. War es nur ein Ablenkungsmanöver nach der von ihm zuvor auch für den Fall der dann prompt eingetretenen nächsten Niederlage verkündeten Job-Garantie für Flick?
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In der Kabine richtete der Bundestrainer in Völlers Beisein noch ein paar Worte an sein nicht EM-taugliches Team, bevor die Akteure um Champions-League-Sieger Ilkay Gündogan noch in der Nacht schnellstmöglich in den Urlaub entschwanden. Zurück blieben viele Fragen, auf welche die DFB-Entscheider um DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Liga-Boss Hans-Joachim Watzke und Krisenmanager Völler in den fast drei Monaten bis zu den nächsten Länderspielen gegen Japan und Frankreich Antworten geben müssen.
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Ein einfaches Weiter-so müsste sich nach den Erfahrungen in der Spätphase von Flick-Vorgänger Joachim Löw, der nach dem WM-Vorrunden-Aus in Russland 2018 bis zum drei Jahre später folgenden EM-Achtelfinal-K.o. den Umkehrschub nie mehr zünden konnte, eigentlich verbieten. Jürgen Klopp würde deutsche Fan-Herzen sofort höher schlagen lassen, ist aber weiterhin gebunden beim FC Liverpool. Julian Nagelsmann wäre nach seiner Freistellung beim FC Bayern zumindest frei. Stefan Kuntz? Ralf Rangnick? Roger Schmidt?
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Im Presseraum der Schalke-Arena wurde Flick in der Nacht zum Mittwoch gefragt, ob er persönliche Konsequenzen ausschließe. „Natürlich ist es eine Situation für mich, die ich so in dieser Form noch nicht erlebt habe. Ich gewinne Spiele sehr, sehr gerne. Und ich hasse wirklich zu verlieren“, antwortete der 58-Jährige. „Ich habe gesagt, ich gehe kompromisslos im Juni diesen Weg“, schloss er an. Und: „Mir macht es einfach auch Spaß, eine Mannschaft auf ein Turnier vorzubereiten.“ Nein, Flick will nicht von selbst den Weg freimachen. Den massiven Vertrauensverlust – gerade auch bei den Fans – hält er für reparabel. „Ich bin überzeugt, die Fans wollen uns sehen“, sagte er. Ob „uns“ auch ihn noch mit einschließt?
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Nach dem bestürzenden Flickwerk beim 3:3 gegen die Ukraine, dem 0:1 in Polen und der mit Pfiffen der mehr als 50.000 Zuschauer quittierten Niederlage gegen bissige Kolumbianer räumte der DFB-Chefcoach immerhin ein, dass sein Experimentierkurs mit Systemwechsel und erstaunlichen Personal-Rochaden ein Fehlschlag war. „Wenn wir es auf den Punkt bringen, ist es in die Hose gegangen. Das, was wir ausprobiert haben, hat in dieser Form nicht geklappt“, sagte Flick, der nach den Toren von Luis Diaz vom FC Liverpool und Juan Cuadrado von Juventus Turin per Handelfmeter versteinert am Spielfeldrand hockte.
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Was folgte, waren Besserungs-Belobigungen, die wie Durchhalteparolen klangen. Im Herbst werde „man versuchen, einen Stamm von 10, 12, 14 Spielern dann auch wirklich festzuzurren und zu benennen“, kündigte Flick an. Es solle dann auch klar sein, wer auf den jeweiligen Positionen die Nummer eins sei. Zwölf Monate vor der EM ist aber weder ein Gerüst, geschweige denn eine EM-Elf erkennbar. Manuel Neuer? Serge Gnabry? Mario Götze? Thomas Müller? Niklas Süle? Wen holt Flick im Herbst zurück? Zumal Völler etlichen Akteuren des aktuellen Kaders plötzlich EM-Format absprach – leider ohne Namen zu nennen.
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„Es fehlt bei dem einen oder anderen an der Topqualität“, sagte Völler. „Wir haben einige gute Spieler, die ganz oben im Regal sind. Aber wir haben auch einige Spieler, die werden es nicht schaffen für die Europameisterschaft.“ Rumms! Völler bemängelte auch gleich noch die Leidenschaft: „Für die Kolumbianer war das wie ein WM-Spiel.“ Man müsse darum gucken, „dass man die richtigen Spieler beim nächsten Länderspiel einlädt“, sagte er.
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Flick sagte nicht, wer erneut eine Einladung erhält, wenn er sie im September weiterhin aussprechen darf. Er wich aus. „Wir schauen genau hin, wer unsere Erwartungen erfüllt hat, wer nicht. Emotional wäre es nicht der Zeitpunkt von mir, da jetzt etwas zu äußern.“
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Die DFB-Bosse stehen noch zu ihm. Auch die Spieler, die in Flicks Versuchsanordnungen nicht liefern (können), hat er augenscheinlich nicht verloren. „Wir haben absolutes Vertrauen in ihn“, sagte etwa Torwart Marc-André ter Stegen. Leon Goretzka nannte die Situation jedoch „dramatisch“, Robin Gosens sprach von einem „Negativstrudel“. Es kommen aber auch Hilferufe aus der Mannschaft. Defensivakteur Can benannte eine Sofortmaßnahme, wenn er etwas zu sagen hätte: „Viererkette! Wir haben gesehen, dass wir keine Mannschaft sind, die Dreierkette spielen kann.“ (dpa)
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